Dr. Torsten Jäger ist seit 2012 Notar, seit 2020 Notar in Landau in der Pfalz. Er ist Mitglied der Länderkontaktgruppe der Bundesnotarkammer und zuständig für das französischsprachige Afrika. In 2011/2012 war er als juristischer Berater beim Rat der Notariate der EU tätig.
Im Oktober 2021 wird das Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation2 60 Jahre alt. Die Welt hat sich seit-dem weiterentwickelt, insbesondere die Technik. Dieser Beitrag soll den Grundgedanken des Übereinkommens in Erinnerung rufen und ins Verhältnis zu neueren Bestrebungen aufgrund technologischen Fortschritts wie der E-Apostille setzen.
1. Einführung
Die Echtheit einer ausländischen Urkunde zu beurteilen, ist für die empfangende Stelle nicht immer leicht. Zu verschieden sind die Zuständigkeiten, die Siegel und das Darstellungsbild von öffentlichen Urkunden. Grundsätzlich bedürfen daher alle ausländischen öffentlichen Urkunden der Legalisation. Darunter versteht man die Bestätigung einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung in dem Land in dem die Urkunde ausgestellt wurde, dass diese Urkunde echt ist, die Bestätigung der Eigenschaft, in welcher die unterzeichnende Person der Urkunde gehandelt hat und die Echtheit des Siegels, mit dem die Urkunde versehen ist.
Die konsularische Vertretung befindet sich im Ausstellungsland. Auf diesem Wege wird also die Erfahrung vor Ort genutzt, um der empfangenden Stelle im Heimatland der konsularischen Vertretung die Möglichkeit zu geben, die Echtheit der ausländischen Urkunde zu beurteilen. Nicht bestätigt wird natürlich der Inhalt der Urkunde. Aufgrund des hohen Aufwandes für die konsularischen Vertretungen wurde das sogenannte Haager Übereinkommen abgeschlossen. Innerhalb der Vertragsstaaten sind die Urkunden des jeweils anderen Vertragsstaates von der Legalisation befreit.
An die Stelle der Legalisation tritt gemäß Artikel 3 Abs. 1 die sogenannte Apostille.
Die Apostille stellt nicht die konsularische Vertretung des Empfängerstaates aus, sondern die zuständige Behörde des Errichtungsstaates. Zu den auftretenden Fragen in der Praxis hat die Haager Konferenz für internationales Privatrecht ein Handbuch über die praktische Durchführung des Übereinkommens herausgegeben.3
Gemäß Artikel 4 Abs. 1 des Übereinkommens kann die Apostille auf der Urkun-de selbst oder auf einem mit ihr verbundenen Blatt angebracht werden. Sie muss dabei dem Muster entsprechen, das dem Übereinkommen als Anlage beigefügt ist. Die Verwendung dieses Musters ist zwingend und soll so der empfangenden Stelle die Überprüfung ermöglichen, ohne dass sie die Gepflogenheiten und die Sprache des jeweiligen Errichtungsstaates kennen muss. Um die eindeutige Identifizierung als Apostille im Sinne des Übereinkommens zu ermöglichen, muss die Überschrift in französischer Sprache abgefasst sein, vgl. Artikel 4 Abs. 2.
Durch die ordnungsgemäße Ausstellung und Anbringung der Apostille wird die Echtheit der Unterschrift, die Eigenschaft, in welcher die unterzeichnende Person der Urkunde gehandelt hat und gegebenenfalls die Echtheit des Siegels oder des Stempels nachgewiesen.
Mit Stand vom 18. Januar 2021 sind dem Haager Übereinkommen 120 Staaten beigetreten. Obwohl einige Staaten gegen den Beitritt anderer Staaten Widerspruch (eine sogenannte objection) eingelegt haben, kann dieses Übereinkommen als weltweit großer Erfolg angesehen werden.
2. Das e-APP Programm
Die fortschreitende technische Entwicklung hat allerdings auch vor der Apostille nicht Halt gemacht. Im Jahre 1961 waren Computer noch eine absolute Aus-nahme. Naturgemäß sieht das Übereinkommen daher weder Vorschriften zu elektronischen Urkunden noch zu einer elektronischen Apostille vor. Gleichwohl wurde im Jahre 2006 das sogenannte e-APP Programm von der Haager Konferenz und der National Notary Association der Vereinigten Staaten von Amerika (NNA) auf den Weg gebracht.
Diverse Konferenzen haben zu diesem Thema unter Führung der Haager Kon-ferenz stattgefunden. Seitdem sind mit Stand 24. Februar 2021 41 Staaten (inkl. einiger US-Bundesstaaten) dazu übergegangen, teilweise optional, teilwei-se ausschließlich, Apostillen in elektronischer Form auszustellen. Das Handbuch der Haager Konferenz überlässt die technische Ausgestaltung der elektronischen Apostille weitestgehend den Mitgliedstaaten. Naturgemäß sind daher die hierzu entwickelten Lösungen sehr vielfältig.
So bieten einige Staaten nur für originär elektronisch signierte Ausgangsdoku-mente eine elektronische Apostille an. Andere Länder versehen auch Papierdokumente mit einer elektronischen Apostille. Hierbei wird dem originalen Papier-dokument eine Apostille beigefügt, die üblicherweise statt des Siegels oder des Stempels der ausstellenden Behörde einen Link oder QR-Code enthält, über den die Echtheit des Dokuments und der Apostille identifiziert werden kann. Wiederum andere Länder arbeiten mit Hybridlösungen, also der Verwendung des im Haager Übereinkommenden vorgesehenen Musters, dass um eine ent-sprechende technische Möglichkeit der Überprüfung ergänzt wird.
Nach Auffassung der Haager Konferenz lässt sich das Übereinkommen von 1961 unproblematisch auch auf E-Apostillen anwenden. Deutschland kennt hin-gegen nach wie vor keine E-Apostille. Auch viele andere Länder sind zurückhal-tend. Das Übereinkommen ist nach Auffassung einiger Staaten schon aufgrund des damaligen technischen Standards eindeutig und ausschließlich auf Papierdokumente zugeschnitten. Aus diesem Grunde können selbstverständlich verschiedene Mitgliedsstaaten E-Apostillen anerkennen. Ein Zwang für alle Mit-gliedstaaten des Haager Übereinkommens besteht hingegen nicht.
Jedes Land muss daher zunächst für sich selbst entscheiden, ob die entsprechenden Fortentwicklungen durch die Haager Konferenz von seinem eigenen innerstaatlichen Verfassungsrecht gedeckt sind.
3. Anforderungen an eine sichere E-Apostille
Gleichwohl ist nicht zu bestreiten, dass dem technologischen Fortschritt Rech-nung getragen werden muss und eine E-Apostille grundsätzlich wünschenswert ist. Dies setzt zunächst aber einen entsprechenden demokratischen Legitimationsprozess durch ein neues bzw. ergänzendes Abkommen und entsprechender Ratifizierungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten voraus. Des Weiteren darf der besondere Stellenwert der öffentlichen Urkunde, sei sie in Papierform oder in elektronischer Form nicht verkannt werden.
Entsprechend hoch müssen die Anforderungen an den Standard der elektronischen Apostille gestellt werden. Nicht umsonst sehen nationale Rechtsordnungen wie das deutsche Zivilpro-zessrecht in § 371a ZPO vor, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne der eIDAS-VO4 versehen sein muss und das der Signatur zugrundliegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehörendes qualifiziertes Attributszertifikat die Behörde oder die Eigenschaft als mit öffentlichen Glauben versehende Person erkennen lassen muss. Dies ist bei vielen in der Praxis verbreiteten E-Apostillen nicht der Fall.
a) Besinnung auf den Grundgedanken der Apostille
Um zu erkennen, welche Anforderungen an eine sinnvolle und sichere elektro-nische Apostille gestellt werden müssen, ist es hilfreich, auch nach 60 Jahren sich dem Grundgedanken des Übereinkommens noch einmal zuzuwenden. Sinn und Zweck der Apostille ist es, dass der Empfangsstaat ohne Kenntnis der Sprache des Ausstellungsstaates und ohne Kenntnis der Gepflogenheiten des Ausstellungsstaates erkennen können muss, ob die Apostille echt ist und von der zuständigen Behörde ausgestellt wurde.
Die Haager Konferenz bietet hier für jeden Mitgliedstaat die Übersicht der jeweiligen zuständigen Stelle gem. Ar-tikel 6 des Übereinkommens zur Verfügung. Das einheitliche Muster der Apostille in den allgemeinen gängigen Sprachen Englisch und/oder Französisch ge-währen zudem die sofortige Wiedererkennung einer Apostille als solche. Dieses gilt es in die elektronische Welt zu übertragen.
b) Übertragung des Grundgedankens der Apostille in die elektronische Welt
Von der Haager Konferenz sind hier zwei Komponenten vorgegeben, die nach den Vorstellungen der Haager Konferenz beliebig kombiniert werden können sollen.
aa) E-Apostille
Die erste Komponente ist die sogenannte E-Apostille selbst, die lediglich eine angemessene IT-Ausstattung (Hard- und Software) verlangt, um eine E-Apostillenbescheinigung elektronisch in einem Dateiformat auszufüllen, das mit digitalen Signaturen kompatibel ist. Gemeint ist damit das Anbringen eines digi-talen Zertifikats, z. B. in Form eines elektronischen Siegels oder einer elektroni-schen Signatur.
bb) E-Register
Des Weiteren tritt neben die E-Apostille die zweite Komponente nämlich das elektronische Register (sogenanntes E-Register), das Informationen über die ausgestellte Apostille enthält. Der empfangenden Stelle soll damit ermöglicht werden, die Apostille und gegebenenfalls auch das Dokument, mit dem die Apostille verbunden ist, auf ihre Echtheit zu überprüfen. Diesbezüglich werden drei Kategorien von Registern unterschieden.
E-Register der Kategorie eins enthalten lediglich Grundinformationen zu der Frage, ob eine Apostille mit einer entsprechenden Nummer und dem entspre-chenden Datum auch tatsächlich ausgestellt worden ist. Bereits hier drängt sich auf, dass die Verbindungen dieser Informationen zum apostillierten Dokument sehr schwach sind und eine Fälschungsmöglichkeit auf der Hand liegt.
E-Register der Kategorie zwei enthalten zusätzlich Informationen über die Apostille und die zugrundeliegende öffentliche Urkunde.
E-Register der Kategorie drei enthalten des Weiteren eine digitale Überprü-fung der Apostille und des zugrundeliegenden öffentlichen Dokuments selbst.
c) Grundsätzliche Problematik des e-APP-Programms
Problematisch ist in der Praxis, dass sich die empfangende Stelle des Doku-ments zahlreichen unterschiedlichen ausgestalteten technischen Lösungen ausgesetzt sieht, sodass für sie nicht ohne weiteres zu erkennen ist, ob das entsprechende System sicher und die jeweils im Ausstellungsstaat national gewählte Lösung den Anforderungen entspricht, die das jeweilige nationale Recht des Empfängerstaats verlangt. QR-Codes, die beim Einscannen auf dem Bildschirm eine Website erscheinen lassen, die die Echtheit bestätigen, ließen sich letztlich ohne weiteres selbst programmieren.
Entscheidend ist aber, dass die Vielzahl von nebeneinander bestehenden Lö-sungen letztlich das Grundziel der Apostille konterkarieren, nämlich es der emp-fangenden Stelle zu ermöglichen, ohne weitere Nachprüfung zu erkennen, ob die Apostille den an sie gestellten Anforderungen entspricht. Die revolutionäre Grundidee des Übereinkommens, nämlich die Ausstellung der Apostille auf ei-nem einheitlichen Muster findet sich im e-APP Programm nicht wieder und ge-fährdet daher den großen Erfolg der Apostille, den diese in den letzten 60 Jahren hatte.
Dies bedeutet nicht, dass grundsätzliche Erwägungen gegen die Einführung einer E-Apostille sprechen. Die Einführung einer einheitlichen und sicheren elektronischen Lösung ist im Gegenteil wünschenswert und würde den interna-tionalen Rechtsverkehr deutlich erleichtern. Neben der bereits erwähnten Anpassung des völkerrechtlichen Vertrages verbunden mit entsprechenden Ratifizierungen in den Mitgliedstaaten bedarf es aber vor allem einheitlichen und sicheren rechtlichen und technischen Vorgaben.
Es überzeugt daher wenig, dass das Handbuch der Haager Konferenz die Ausführung der elektronischen Apostille komplett den Mitgliedstaaten überlässt. Hiernach genügt es, dass das elektronische Dokument mit einer elektronischen Bescheinigung einer nationalen Bescheinigungsbehörde versehen ist. Es wird ausdrücklich nicht gefordert, ein international anerkanntes Format zu wählen oder die Bescheinigung von einem internationalen, anerkannten Vertrauensdiensteanbieter ausstellen zu lassen. Dies führt zu dem wenig zufriedenstellenden Ergebnis, dass die empfangende Stelle also z. B. ein nationales Grundbuchamt nachprüfen muss, ob die elektronische Signatur nach den Vorschriften eines anderen Staates erteilt und vertrauenswürdig ist.
d) Weltweit einheitlicher Standard erforderlich
Eine sinnvolle und sichere E-Apostille setzt daher zwingend einen einheitlichen Standard voraus.
Zunächst ist zu klären, in welcher Form die E-Apostille selbst ausgestellt werden soll. Soll eine elektronische Signatur und/oder ein elektronisches Siegel angebracht werden. Welche Anforderungen sollen an die das zu Grunde liegende Zertifikat und an die Validierung gestellt werden? Als Vorbild für einen einheitlichen Standard und eine sinnvolle und sichere elektronische Apostille könnte die europäische eIDAS-VO dienen.
Deren Anforderungen können sowohl für elektronische Ausgangsdokumente als auch für die elektronische Apostille nutzbar gemacht werden. Artikel 32 und 33 eIDAS-VO sowie die begleitenden Ausführungsvorschriften stellen klare und auch technische Regelungen für die Validierung von Signaturen auf und ermöglichen so auch grenzüberschreitende Validierungen.
Ganz entscheidend ist zudem, dass es einen einheitlichen Registerstandard zu schaffen gilt, der es der empfangenden Stelle möglichst umfassend ermöglicht, die Echtheit der gesamten Urkunde zu prüfen. Im Ergebnis kommt daher einzig ein im Handbuch der Haager Konferenz als Kategorie III beschriebenes Register in Betracht, dass die digitale Prüfung sowohl der Apostille als auch des zugrundeliegenden öffentlichen Dokuments zulässt. Dieses müsste zudem hohen Datenschutzstandards entsprechen, wie sie in der EU mit der Datenschutzgrundverordnung geschaffen wurden, um wirklich nur der Behörde des Empfängerstaates, der Inhaberin, dem Inhaber5 oder der Besitzerin, dem Besitzer der Urkunde Zugriff zu dem im Bildformat abrufbaren Ausgangsdokument zu gewährleisten.
Was die Einführung von Registern betrifft, so wäre es zudem von elementarer Bedeutung, dass über eine Zentrale Internetplattform, welche bei der Haager Konferenz angesiedelt sein sollte, eine Weiterleitung an das jeweilige offizielle nationale Register gewährleistet wird. Nur so könnte die Nutzerin, der Nutzer beurteilen, ob das Apostillenregister des Ausstellungsstaates, auf das sie/ ihn das Auslesen des QR-Codes oder das Eingeben der auf der Apostille befindlichen Internetadresse geleitet hat, echt oder gefälscht ist. Die Auflistung der Register auf der Webseite der Haager Konferenz6 ist hier ein Schritt in die richtige Richtung.
4. Ausschließliche Umstellung auf E-Apostille
In jedem Fall sei Staaten, die eine E-Apostille einführen zu raten, parallel auch Papierapostillen vorerst weiter auszustellen. E-APP kritische Staaten, werden die E-Apostille dieser Staaten nicht akzeptieren. Gleichzeitig kann die Bürgerin, der Bürger eine Papierapostille in diesen Ländern nicht mehr beantragen. Dies führt im Rechtsverkehr mit Ländern, die nur noch eine E-Apostille kennen wie Lettland und Kolumbien zu erheblichen Problemen. Die Echtheit kann dann nur noch wieder durch eine Legalisation nachgewiesen werden. Hierdurch würde man der Bürgerin, dem Bürger Steine statt Brot geben und im Ergebnis zur Legalisierung zurückkehren.
Zusammenfassung und Ausblick
Ein einheitlicher hoher Standard für E-Apostille und Register ist daher unab-dingbar für eine erfolgreiche Einführung und Anerkennung der E-Apostille. Der Charme der Papierapostille nach einem weltweit einheitlichen Muster besteht in seiner sofortigen Wiedererkennung für jede nationale Anwenderin oder jeden nationalen Anwender, ohne einen Blick in das Recht eines anderen Staates werfen zu müssen.
Für die E-Apostille muss das gleiche gelten. Für eine nationale Behörde des Empfangslandes, die sich zunächst in das Signaturrecht und den zugehörigen technischen Standard des jeweiligen Ausstellungsstaates einarbeiten muss, stellt die E-Apostille eher einen Rückschritt dar und dürfte zur generellen Ablehnung führen. In vielen Fällen wäre es dann im Ergebnis einfacher und schneller, ausländische Dokumente wieder zu legalisieren, was im Er-gebnis den großen Fortschritt des Apostillen-Übereinkommens, den es sich in 60 Jahren erarbeitet hat, zunichtemacht.
1 In Anlehnung an Forschner/Kienzle, DNotZ 2020, 724
2 https://www.hcch.net/fr/instruments/conventions/specialised-sections/apostille
3 https://assets.hcch.net/docs/c5d551fb-622c-491a-812f-3a93ceec673a.pdf
4 Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. L 257, 73
5 Bei Begriffen, die im generischen Maskulinum und/oder Femininum formuliert sind, sind aus-drücklich auch diversgeschlechtliche Personen eingeschlossen.
6 https://www.hcch.net/fr/instruments/conventions/specialised-sections/operational-e-registers/