Von Faycel Bouguera

Bewegungs- und Aufenthaltsfreiheit im Verwaltungsrecht

Buch und Brille auf Schreibtisch
pixabay_Recht

Faycel Bouguera ist Verwaltungsrichter und dort Mitglied der Kassationskammer. Er ist zudem Mitglied der Kommunikations- und Presseabteilung des tunesischen Verwaltungsgerichts, Universitätsdozent und Doktorand im Öffentlichen Recht.

 Die Bewegungsfreiheit ist eines der wichtigsten in der Verfassung garantierten Freiheitsrechte. So heißt es in Artikel 24 der tunesischen Verfassung vom 27. Januar 2014: „Jeder Bürger hat das Recht auf Wahl seines Wohnsitzes, auf Freizügigkeit innerhalb des Landes und das Recht, das Land zu verlassen.“


 Zusätzlich zu seinem verfassungsmäßigen Wert fallen das Recht auf Bewegungsfreiheit und die Freiheit, einen Wohnort zu wählen, unter die Kategorie der bürgerlichen und politischen Rechte, die sowohl in Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als auch in Artikel 12 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte von 1966, der am 18. März 1969 vom tunesischen Staat ratifiziert wurde, garantiert werden. Darin heißt es: „Jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, hat das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Jedermann steht es frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen."

Die oben erwähnten Rechte dürfen nur eingeschränkt werden, wenn dies gesetzlich vorgesehen und zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit, der öffentlichen Sittlichkeit oder der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist und die Einschränkungen mit den übrigen in diesem Pakt anerkannten Rechten vereinbar sind. Niemand darf willkürlich das Recht entzogen werden, in sein eigenes Land einzureisen.“

Der gleiche Ansatz wird durch Bezugnahme auf Artikel 9 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte bestätigt, in dem es heißt:

„Jedermann hat ein Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit. Niemand darf willkürlich festgenommen oder in Haft gehalten werden. Niemandem darf seine Freiheit entzogen werden, es sei denn aus gesetzlich bestimmten Gründen und unter Beachtung des im Gesetz vorgeschriebenen Verfahrens.

Jeder Festgenommene ist bei seiner Festnahme über die Gründe der Festnahme zu unterrichten, und die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen sind ihm unverzüglich mitzuteilen.

Jeder, der unter dem Vorwurf einer strafbaren Handlung festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, muss unverzüglich einem Richter oder einer anderen gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Amtsperson vorgeführt werden und hat Anspruch auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung aus der Haft.

Es darf nicht die allgemeine Regel sein, dass Personen, die eine gerichtliche Aburteilung erwarten, in Haft gehalten werden, doch kann die Freilassung davon abhängig gemacht werden, dass für das Erscheinen zur Hauptverhandlung oder zu jeder anderen Verfahrenshandlung und gegebenenfalls zur Vollstreckung des Urteils Sicherheit geleistet wird.

Jeder, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen ist, hat das Recht, ein Verfahren vor einem Gericht zu beantragen, damit dieses unverzüglich über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheiden und seine Entlassung anordnen kann, falls die Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig ist.
Jeder, der unrechtmäßig festgenommen oder in Haft gehalten worden ist, hat einen Anspruch auf Entschädigung.“

Diese Rechte und Freiheiten sind jedoch nicht absolut. Vielmehr hat der tunesische Verfassungsgesetzgeber den ordentlichen Gesetzgeber ermächtigt, sie zu beschränken, sofern die Bestimmungen von Artikel 49 der tunesischen Verfassung berücksichtigt werden:

„Das Gesetz legt die Modalitäten und Bedingungen für die Ausübung der in dieser Verfassung garantierten Rechte und Freiheiten fest, ohne dass diese jedoch in ihrem Grundgehalt beeinträchtigt werden dürften. Derartige Einschränkungen dürfen nur insoweit eingeführt werden, als sie für einen zivilen, demokratischen Staat erforderlich sind, dem Schutz der Rechte Dritter dienen oder ihren Grund in den Erfordernissen der öffentlichen Ordnung, der nationalen Verteidigung, der öffentlichen Gesundheit oder der öffentlichen Moral haben, vorausgesetzt die Verhältnismäßigkeit zwischen diesen Einschränkungen und dem angestrebten Ziel bleibt gewahrt. Die Justizorgane stellen sicher, dass Rechte und Freiheiten vor jeder Verletzung geschützt werden.“

Es ist anzumerken, dass solche Einschränkungen zu den wichtigsten Streitfällen in der Verwaltungsjustiz gehören. In Bezug auf die Einschränkung des Rechts auf freie Bewegung sind zum Beispiel die Fälle zu erwähnen, in denen die Verwaltung (im Allgemeinen die des Innenministeriums) den Reisepass einzieht oder sich weigert, ihn auszustellen oder zu verlängern. Ferner sind Reiseverbote zu nennen (die Einreise nach oder die Ausreise aus Tunesien), Fälle der Anwendung der als S17-Maßnahme bekannten Grenzmaßnahme, Fälle von Hausarrest oder der Kontrolle durch die Verwaltung.

Bei einer Betrachtung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts seit seiner Gründung im Jahr 1972 bis heute wird deutlich, dass das Gericht in Bezug auf die oben genannten Streitfälle eine Reihe von Grundsätzen aufgestellt hat.

Reiseverbot

Etwa urteilte das Verwaltungsgericht in Streitfällen über Pässe, Reisedokumente und Reiseverbote, dass der Gesetzgeber das Recht jeder oder jedes tunesischen Bürgerin oder Bürgers anerkenne, einen Pass zu erhalten, ihn zu verlängern oder einen neuen zu beantragen. Dieses Recht darf danach nur in Fällen eingeschränkt werden, in denen die Reise der betroffenen Person dazu dient, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden, sofern dies auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht, die ausschließlich von der Leitung des erstinstanzlichen Gerichts auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft getroffen wurde und die das Reisen verbietet oder den Einzug des Reisepasses zum Gegenstand hat.1

Diese der Verwaltung eingeräumten Ausnahmen finden ihre Rechtsgrundlage im Gesetz Nr. 40 vom 14. Mai 1975 über Reisepässe und Reisedokumente.2
In einigen Streitfällen hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Verwaltung sich auf die Bestimmungen des Artikels 4 der Verordnung Nr. 342 vom 30. Mai 1975 über die Regelung der Angelegenheiten des Innenministeriums berufen durfte.3 Darunter fällt auch die Überwachung der Bewegung von Menschen in der gesamten Republik, und die Überwachung der Landes- und Seegrenzen durch die Luftpolizei mit der Absicht, die Bewegungsfreiheit ohne richterliche Genehmigung zum Zweck der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit einzuschränken.

Das Gericht betont in diesem Rahmen stets, dass diese Überwachung die normalen und notwendigen Sicherheitskontrollen, denen Reisende beim Ein- und Ausreisen unterzogen werden, nicht überschreiten und keine Sonderbehandlung bestimmter Personengruppen stattfinden darf. Diese Kontrollen dürfen jedoch in keinem Fall zu Sondermaßnahmen führen, die einer Verweigerung der Ausstellung eines neuen Reisepasses oder einem Ausreiseverbot für eine Person gleichkommen.

Einschränkung der Bewegungsfreiheit

In diesem Zusammenhang erließ das Verwaltungsgericht am 10. Juli 2020 unter der Nummer 22 eine Entscheidung zur Aussetzung der Vollstreckung und ordnete an, die Umsetzung der Entscheidungen des Innenministers zur Unterbringung von Ausländerinnen und Ausländern im Unterbringungs- und Haftzentrum in El Ouardia auszusetzen, bis das Urteil im ursprünglichen Fall ergangen ist.4

Das Gericht begründete seine Entscheidungen mit internationalen Instrumenten, wie dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 sowie den Bestimmungen des Organgesetzes Nr. 50 vom 23. Oktober 2018 über die Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung5 sowie dem Gesetz Nr. 7 vom 8. März 1968 über den Status von Ausländerinnen und Ausländern in Tunesien.6

Das Gericht gelangte zu dem Schluss, dass aus den oben genannten internationalen Abkommen hervorgehe, dass der Grundsatz der Gleichheit bei der Wahrnehmung der Grundrechte, die unzertrennlich mit dem Menschen selbst verbunden seien, ein für Staaten bindendes Prinzip sei – ungeachtet der Nationalität der Person oder der Beachtung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen für Ausländerinnen und Ausländer. Ferner sei das Recht auf persönliche Freiheit nur in den gesetzlich definierten Formen und aufgrund einer gerichtlichen oder präventiven Maßnahme in den Fällen einschränkbar, in denen eine ausländische Staatsbürgerin oder ein ausländischer Staatsbürger die öffentliche Sicherheit bedrohe.

Das Gericht urteilte ferner, dass der Gesetzgeber den Staat zwar im Falle eines Verstoßes von Ausländerinnen und Ausländern gegen das Gesetz Nr. 7 vom 8. März 1968 verpflichtet habe, Entscheidungen dahingehend zu treffen, dass diese nach Verbüßung einer Haftstrafe auszuweisen oder abzuschieben sind, dennoch verpflichteten der Grundsatz der Gleichheit bei der Wahrnehmung der Grundrechte und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit die Behörden dazu, diese Befugnis nicht zu missbrauchen. Ferner dürften diese Entscheidungen nicht den internationalen Abkommen widersprechen, die Tunesien ratifiziert habe.

Darüber hinaus stellte das Gericht hinsichtlich der Klagenden fest, dass ihre Staatsangehörigkeit bekannt sei und ihr Aufenthalt in Tunesien gegen die Rechtsvorschriften zum Status von Ausländerinnen und Ausländern verstoße. Sie seien ihrer persönlichen Freiheit beraubt worden, indem sie in einer staatlichen Einrichtung untergebracht worden seien, was außergerichtlich und nicht in einer der im Gesetz Nr. 7 von 1968 festgelegten Formen erfolgt sei.

Dem Gericht lagen keine Beweise dafür vor, dass die Unterbringung dem Zweck des Schutzes der öffentlichen Sicherheit diente, sodass der Unterbringungsbeschluss augenscheinlich nicht legitim sei, zumal die Zeitspanne, die die betroffenen Personen in der Anstalt verbrachten, es den Sicherheitsbehörden ermöglicht hätte, ihren Status zu überprüfen und eine Entscheidung in ihrer Hinsicht zu treffen.

Grenzverfahren S17

Die sogenannte S17-Grenzmaßnahme definiert das Verwaltungsgericht üblicherweise als eine Entscheidung des Innenministeriums, die Bewegungsfreiheit der betroffenen Person innerhalb des Staatsgebiets zu beschränken, indem sie langwierig durchsucht und einem Konsultationsverfahren (S17) unterzogen wird, bevor sie sich frei bewegen darf. Da die nationalen Gesetze kein Rechtsverfahren zur S17-Grenzmaßnahme vorsehen, urteilte vor einigen Jahren die Verwaltungsjustiz, dass die Verwaltung die Bewegungsfreiheit verdächtiger Personen nicht ohne richterlichen Beschluss oder gerichtliche Erlaubnis einschränken darf.

Daraufhin führte der Innenminister ein neues Verfahren ein, das auch die bisher nicht gesetzlich festgelegten Freiheitseinschränkungen erlaubt. Dieses hinderte die Bürgerin oder den Bürger durch ein unangemessenes Verfahren daran, ihr Recht auf Bewegungsfreiheit auszuüben. Das Verfahren widerspricht nicht nur dem individuellen Recht auf Bewegungsfreiheit, sondern steht darüber hinaus im Verdacht, rechtsgrundlos zur Diskriminierung von Einzelpersonen bei der Ausübung ihrer Rechte beizutragen.7

Hausarrest

Die Strafform des Hausarrests, die die Inhaftierung oder Haftstrafe ersetzt, wird in den Gesetzen einiger Länder als „Verpflichtung der verurteilten Person, einen bestimmten Wohnort oder ein bestimmtes räumliches Gebiet nicht zu verlassen“ definiert.

Die Gesetze anderer Länder definieren es als „eine Verwaltungs- oder Exekutivmaßnahme, bei der eine bestimmte Person ohne Vorliegen einer Klage aus rein sicherheitstechnischen Gründen in einem der vom Ausnahmezustand abgedeckten Bereiche ihrer Freiheit beraubt wird.“

Bei der Auferlegung eines Hausarrests oder der behördlichen Kontrolle geht aus den verschiedenen Streitigkeiten vor dem Verwaltungsgericht hervor, dass die das Innenministerium vertretende Behörde eine Person gemäß den Bestimmungen von Artikel 4 der Verordnung Nr. 342 vom 30. Mai 1975 über die Befugnisse des Innenministeriums unter Hausarrest stellen kann. Dieser Artikel legt fest, dass „das Innenministerium, das für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im gesamten Gebiet der Republik zuständig ist, folgende explizite Aufgaben hat:

„die Kontrolle der Bewegung von Personen im gesamten Staatsgebiet, insbesondere an den Landes- und Seegrenzen und im Aufgabengebiet der Luftpolizei“. Das Ministerium stützt sich ferner auf die Bereiche, die dem Artikel 5 der Verordnung Nr. 50 vom 26. Januar 1978 über den Ausnahmezustand zu entnehmen sind, in dem es heißt: „Der Innenminister kann innerhalb des Staatsgebiets oder in einer bestimmten Stadt jede Person unter Hausarrest stellen, die in einem der in Kapitel 2 genannten Gebiete wohnhaft ist und deren Aktivitäten als gefährlich für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in jenen Gebieten angesehen werden.“8

Infolgedessen beruft sich das Innenministerium in allen Fällen darauf, dass die Entscheidung, eine Person unter Hausarrest zu stellen, der kritischen Sicherheitslage des Landes geschuldet sei, insbesondere angesichts der vorliegenden schwerwiegenden terroristischen Bedrohungen, die eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten.

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts seit seiner Einrichtung im Jahr 1972 bis heute zu Fällen von Hausarrest oder behördlicher Kontrolle beruht auf einer Reihe von Grundsätzen:9

Verschiebung, Aussetzung, Vollstreckung oder Annullierung eines Hausarrestbeschlusses aufgrund fehlender Rechtsgrundlage

In diesen Fällen beschloss das Gericht, dass es der Exekutivbehörde und den Behörden gestattet sei, die Regulierungsbefugnis auszuüben, interne Vereinbarungen oder Einzelentscheidungen im Dienste des öffentlichen Interesses oder des Schutzes der öffentlichen Ordnung zu treffen. Diese Entscheidungen oder Maßnahmen dürften jedoch keine Auflagen oder Beschränkungen enthalten, es sei denn ein Gesetz sieht etwas Anderes vor.

Dementsprechend beschloss das Gericht in den ihm vorliegenden Fällen die Aufhebung von Hausarrestbeschlüssen, da die gesetzliche Grundlage für Maßnahmen zur Freiheitseinschränkung fehlte. Dies führte in einigen Fällen dazu, dass die Notstandsverordnung für verfassungswidrig erklärt wurde, da es nicht möglich sei, Freiheiten durch eine Verordnung einzuschränken. Dennoch fährt die Regierung mit dieser Praxis seit 2011 ohne Unterbrechung fort.

Es ist anzumerken, dass das nationale Recht zwar keinerlei Vorschrift mit dem Rang eines Gesetzes enthält, das die Bewegungsfreiheit von Personen einzuschränken vermag, gegen welche keine freiheitsentziehenden Strafen oder Maßnahmen erlassen wurden. In zwei Fällen jedoch, von denen der erste im Strafgesetzbuch im Kapitel 5, Absatz b festgelegt ist, kann die Verwaltung eine gerichtliche Genehmigung zur Festlegung des Aufenthaltsorts oder des Hausarrests erhalten.10

Im Kapitel 5, Absatz b des Strafgesetzbuchs ist festgelegt, dass die Strafrichterin oder der Strafrichter der oder dem Verurteilten eine Strafe in Form einer behördlichen Kontrolle oder der Einschränkung der Bewegungsfreiheit als zwei zusätzliche, die Bewegungsfreiheit einschränkende Strafen auferlegen kann.
Die Strafprozessordnung sieht in Artikel 86 Maßnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit für verdächtigte Personen vor, deren Freiheitsstrafe aufgrund einer von Untersuchungsrichterin oder Untersuchungsrichter erteilten gerichtlichen Genehmigung auf Bewährung ausgesetzt wurde.

Dementsprechend hat sich die Rechtsprechung darauf geeinigt, dass die von Behörden ergriffenen Maßnahmen in Anwendung der Gerichtsurteile über ein Aufenthaltsverbot oder einen Hausarrest zur Wahrung der öffentlichen Ordnung erforderlich seien. Daher schließt die durch die Verfassung garantierte Bewegungsfreiheit die Möglichkeit einer Einschränkung nicht aus, wenn diese auf einem Gerichtsurteil basiert und der Wahrung der öffentlichen Ordnung dient.

Aufschiebung, Aussetzung oder Annullierung der Vollstreckung mangels einer plausiblen Grundlage für Hausarrestbeschluss

Neben der Rechtsgrundlage prüft das Gericht auch die in den Akten enthaltenen Bedenken und Tatsachen sowie die Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Sicherheits- und Verwaltungsmaßnahmen.

Infolgedessen gelangte das Gericht zu dem Schluss, dass die Verwaltungspraxis bezüglich der behördlichen Kontrolle insgesamt den in der Verwaltungsjustiz etablierten Regeln unterliegt. Diese besagen, dass die Behörde die gesetzlichen Regeln für Rechte und Freiheiten einhalten muss und diese nur einschränken darf, wenn dies für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erforderlich ist. Ferner bedeutet der der Behörde eingeräumte Ermessensspielraum unabhängig von dessen Anwendungsbereich nicht, dass die Behörde von jeglicher Kontrolle entbunden wäre, sie besitzt also keine uneingeschränkte Macht.

Dies würde dazu führen, dass die Entscheidungen der Verwaltung einerseits nicht mehr dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit unterlägen und andererseits die Widerrufsrichterin oder den Widerrufsrichter daran hinderten, seine Funktion bei der Überwachung dieser Beschlüsse auszuüben. Dies würde letztendlich die Grundfeste der Rechtsstaatlichkeit aushebeln, die die Rechte des Einzelnen wahren soll.

In anderen Fällen bestätigte das Gericht, dass die Praxis der Kontrolle durch die Sicherheitsbehörden den Regelungen unterliegt, die in dem von Tunesien ratifizierten Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung enthalten sind. Diese verpflichten Tunesien dazu, jegliche Vorkommnisse dieser Art zu verhindern. Konkret handelt es sich um „grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Bestrafungen, die keine Folter darstellen [...], wenn eine Beamtin, ein Beamter oder eine andere Person, die in offizieller Eigenschaft handelt, diese Handlungen begeht oder sie begehen möchte oder wenn sie mit deren Zustimmung oder Stillschweigen durchgeführt werden.“

Das Gericht kam in seiner gesamten Rechtsprechung zu dem Schluss, dass die Entscheidungen des Innenministeriums zur Umsetzung von Artikel 5 der Verordnung Nr. 50 vom 26. Januar 1978 über die Regelung des Ausnahmezustands sowie der Verordnung Nr. 342 vom 30. Mai 1975 über die Regelung der Belange des Innenministeriums in dessen Zuständigkeit fallen, da sie die Ausübung verfassungsrechtlicher Freiheiten beträfen. Sie seien entsprechend von einer Verwaltungsrichterin, einem Verwaltungsrichter zu kontrollieren, um die Verwaltungsstruktur und die Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Maßnahmen in Bezug auf die jeweiligen Umstände und die mit ihnen angestrebten Ziele sicherzustellen.

Dementsprechend muss die Verwaltung dem Gericht Einsicht in die Sicherheitsgründe ermöglichen, die sie dazu veranlasst haben, den Klagenden unter Hausarrest zu stellen, da die Beweislast über die potentielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit dem Innenministerium obliegt. Wenn die Begründung der angefochtenen Entscheidung unter Berufung auf die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die die Verwaltung gemäß den Gesetzen und Verordnungen sicherzustellen hat, nicht ausreichend ist und das Gericht nicht genau über alle Details unterrichtet wird, kann sie die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahmen nicht belegen.

Dies würde die Verwaltungsrichterin oder den Verwaltungsrichter daran hindern, seiner Kontrollfunktion – wenn sie denn gegeben ist – nachzukommen und ein Gleichgewicht zwischen den verfassungsmäßigen Rechten und Freiheiten einerseits und den Erfordernissen der Gewährleistung der öffentlichen Ordnung andererseits herzustellen.
Infolgedessen kam das Gericht in vielen Fällen zu dem Schluss, dass die streitige Entscheidung jeder Grundlage entbehrt, solange die Akten keine Hinweise auf die Notwendigkeit enthalten, die betroffene Person unter Hausarrest zu stellen. Daher hat das Gericht zahlreiche Hausarrestbeschlüsse aufgehoben.

Bis zur Abstimmung in der Plenarsitzung der Versammlung der Volksvertreter über den Entwurf der Verordnung Nr. 91/2018 über den Ausnahmezustand, zu dem das Verwaltungsgericht in den Gesetzgebungsausschüssen Stellung genommen hat, verbleibt der Verwaltung lediglich das Recht, die Bewegungs- und Aufenthaltsfreiheit in den oben genannten Formen einzuschränken.

Diese Formen haben gemein, dass sich die Beschlüsse auf Gesetzestexte und Gerichtsurteile stützen müssen. Die Verwaltung ist befugt, die Bemühungen der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung von Kriminalität, terroristischer Bedrohungen sowie aller Gefahren zu unterstützen, die die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit untergraben oder bedrohen könnten. Gleichzeitig muss sie gewährleisten, dass diese Sicherheitsmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu den wichtigen Garantien der Rechte und Freiheiten stehen.

1 Siehe z. B. die am 14. Juli 2015 unter der Nummer 139186 erlassene erstinstanzliche Entscheidung.
2 Veröffentlicht im Amtsblatt der Republik Tunesien, 118, Nr. 34 vom 20. Mai 1975, S. 1276-1278.
3 Veröffentlicht im Amtsblatt der Republik Tunesien, 118, Nr. 39 vom 10. Juni 1975, S. 1469-1470.
4 Erlassen unter den Nummern 4105316 bis 4105337.
5 Veröffentlicht im Amtsblatt der Republik Tunesien, Nr. 86 vom 26. Oktober 2018, S. 4470-4471.

6 Veröffentlicht im Amtsblatt der Republik Tunesien, 111, Nr. 11, vom 12. März 1968, S. 296-297.
7 Siehe zum Beispiel die beiden vom Verwaltungsgericht erlassenen erstinstanzlichen Entscheidungen Nr. 155750 und Nr. 155751 vom 3. Mai 2019.
8 Veröffentlicht im Amtsblatt der Republik Tunesien, 121, Nr. 7, 26. Januar 1978, S. 218.
9 Siehe beispielsweise die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Nr. 150168 vom 2. Juli 2018.
10 Siehe Gesetz Nr. 23 vom 24. Juli 1968 über die Neuordnung der Strafprozessordnung, veröffentlicht im Amtsblatt der Republik Tunesien Nr. 31 vom 26. und 30. Juli 1968.