Von Mounir Ferchichi

Wenn Immobilien Entwicklung und Investition behindern

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Mounir Ferchichi ist Geschäftsführer des Zentrums für juristische und gerichtliche Studien (Centre d’études juridiques et judiciaires/CEJJ) in Tunis.

Das Interesse am Immobiliensystem ist Teil einer allgemeinen Strategie für die nationale und insbesondere die regionale wirtschaftliche Entwicklung, da Immobilien in ihren verschiedenen Formen und Arten einen wesentlichen Faktor für das Entwicklungspotential eines Landes darstellen. Immobilien sind nicht nur ein grundlegendes Anlagemittel, sondern auch ein notwendiges Kreditmittel.

 

Immobilien sollten jedoch nicht nur in ihrer entwicklungspolitischen Dimension betrachtet werden, sondern auch von ihrer rechtlichen Seite, da sie als Hauptbestandteil des Vermögens mit vielen Grundrechten im Zusammenhang stehen, von denen das wichtigste das Eigentumsrecht ist.

Dieses Recht, das in den meisten Verfassungen enthalten ist, beinhaltet auch die alte und die neue tunesische Verfassung. Nichtsdestotrotz unterscheiden sich Verfassungen je nach System darin, ob sie dieses Recht unter dem Blickwinkel des Anspruchs als uneingeschränkt erklären, oder es in seinen sozialen und wirtschaftlichen Kontext einbetten.

Wiederum andere schlagen einen Zwischenweg ein, wie es bei der tunesischen Verfassung der Fall ist.[1] Das tunesische Immobilienrecht berührt nicht nur die verfassungsrechtliche Garantie dieses Rechts unter dem Aspekt des Anspruchs, sondern schränkt es auch im sozialen und wirtschaftlichen Kontext ein. Das Eigentumsrecht ist in Tunesien demnach ein individuelles Recht, das aber auch eine gesellschaftliche Pflicht mit sich bringt.

Diese Doktrin verwirklicht im Kern auch das tunesische Sachgesetzbuch, dessen Artikel vollständig mit dem aktuellen Verfassungsprinzip übereinstimmen.[2] Allerdings ist diese funktionale Eigentumsdimension noch nicht im gewünschten Maße verwirklicht, im Gegenteil, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Immobilien in Tunesien haben indirekt zum Scheitern mehrerer Projekte beigetragen und den Entwicklungsprozess folglich gestört.

Vor der Beleuchtung der Ursachen dieser kontraproduktiven Rahmenbedingungen ist es jedoch angebracht, den relevanten historischen Kontext eines besonderen Phänomens zu erläutern, der die nach wie vor bestehenden Zusammenhänge zwischen den jeweiligen politischen Ansätzen und den rechtlichen Entscheidungen über das Immobilienrecht erklärt.

Es ist historisch bewiesen, dass jedes neue politische System sein eigenes Immobilienrecht hervorbringt, da jedes politische System auf der Konzeption einer umfassenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung beruht, zu deren wichtigsten Existenzgrundlagen ein Immobilienbestand gehört, der den Anforderungen dieses Systems unterliegt.

Dieser Sollzustand wurde in Tunesien zwar in den meisten historischen Phasen politisch und wirtschaftlich erreicht, nicht jedoch in der wichtigsten Phase der Geschichte der tunesischen Politik, der Phase nach der Revolution.

Um dies zu klären, ist ein Rückblick in die Vergangenheit nötig, der die Diskrepanz zwischen den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsphasen einerseits und den Entwicklungen des Immobilienrechts andererseits greifbar macht.

Die historische Legende besagt, dass Karthago und somit auch dessen Kultur von einer phönizischen Königin gegründet wurde, die nach dem Kauf eines Landstücks in Tunesien mit ihren Besitztümern aus ihrem Königreich nach Afrika floh.

Das islamische Reich florierte auch, nachdem es in Tunesien wirtschaftliche Projekte durchgeführt hatte, die auf der Entwicklung des Stiftungssystems und einem neuen finanziellen Bewusstsein beruhten.

Das Osmanische Reich, die Muraditen und die Husainiden verließen sich bei ihren Wirtschafts- und Sozialprogrammen auf die gute Landverteilung nach der Volkszählung („Cadastra“) und die Eintragung des Grundbesitzes nach der Aufteilung des Bodens („Topos“) sowie auf die Gründung einer Institution, die heute noch Zeuge dieser Entwicklung ist: die Generalkatasterverwaltung für Grund und Immobilien, die früher Al-Daftar Al-Khaqani (königliches Register) genannt wurde.

Die Machthaber in der Ära des französischen Protektorats beschäftigten sich ebenfalls mit Immobilien. Eines ihrer wichtigsten Projekte bestand darin, das Grundeigentumsrecht in Tunesien zu ändern, indem Frankreich die Eigentumsurkunde vereinheitlichte, alte Anleihen und Systeme auflöste, ein Eintragungssystem für Immobilien und damit zusammenhängende Rechte einführte und die Liegenschaftsaufsicht an eine Justizbehörde übertrug, das „tribunal mixte“, das inzwischen zum Immobiliengericht wurde.

Es etablierte die erste gesetzgeberische Referenz für das Immobilienrecht, das Immobiliengesetzbuch, das nach der Unabhängigkeit in Sachgesetzbuch umbenannt wurde. In der Zeit nach der Unabhängigkeit kam diese Entwicklung nicht etwa zum Erliegen, vielmehr spielte hier die Verbindung zwischen Politik, Wirtschaft und Immobilien sogar eine besonders große Rolle.

Die gesetzgeberischen Errungenschaften dieser Phase sind vielfältig. Die Zeit nach dem französischen Protektorat war eine heikle und besondere Ära, in der der Nationalstaat aufgebaut wurde. Daher haben die in jener Zeit erlassenen Gesetze zum Immobilienrecht sowohl politischen, als auch wirtschaftlichen und sozialen Charakter. Sie wurden erlassen, als die letzte Phase der Unabhängigkeit erreicht war.

Zu den wichtigsten legislativen Errungenschaften dieser Zeit gehören:

  1. Aufhebung des islamischen Stiftungsgesetzes: 1957
  2. Überführung von Agrarland in tunesischen Besitz: 1964
  3. Flurbereinigung bei geteiltem Nutzungsrecht: 1964
  4. Obligatorisches Landvermessungsgesetz: 1964
  5. Veröffentlichung des Sachgesetzbuchs

Die Gesetzgebung hat sich jeweils bei wirtschaftlichem oder sozialem Bedarf weiterentwickelt, wie zum Beispiel durch das:

  1. Gesetz zur Annullierung der Übertragung und Abtretung
  2. Gesetz über die obligatorische Immobilienerfassung
  3. Reform der Landwirtschafts- und Agrarflächen
  4. Gesetz zum Schutz des landwirtschaftlichen Grundeigentums
  5. Wohnbauförderungsgesetz
  6. Inkrafttreten des Gesetzes zur Raumplanung und Bebauung

Trotz allem sind einige wichtige alte Gesetze unberührt geblieben und wurden nicht weiterentwickelt – ein Umstand, der de facto das Immobilienrecht schwächt. Ein Beispiel ist das Staatseigentum, das bis heute noch keiner vollständigen rechtlichen Regelung unterliegt, die den Umfang des Staatseigentums und die Methoden der Übertragung definiert.

Einiges ist zwar bereits geregelt, aber noch nicht an den aktuellen Stand angepasst, wie etwa das Gesetz über Gemeindeland, das Enteignungsgesetz zugunsten des öffentlichen Bedarfs im Bereich von Immobilien oder das Gesetz zum Schutz des landwirtschaftlichen Grundeigentums, das de facto kaum dazu beiträgt, Agrarflächen zu schützen.

Bemerkenswert ist in der Tat, dass der postrevolutionäre Staat trotz der oben genannten Kritikpunkte – und ganz entgegen der meisten politischen Erfahrungen Tunesiens – nicht versucht hat, die Immobilienkrise zu beenden. Doch genau dies wäre angesichts der Forderungen der Aufständischen während der Revolution notwendig, die Beschäftigung, Gesundheit und menschenwürdige Lebensumstände gefordert hatten.

Bisher gab es in der politischen Phase nach der Revolution kaum eine immobilienrechtliche Initiative. Dementsprechend hat der Gesetzgeber der Revolution die notwendige Revision des Gesetzes zur Entwicklung und Immobilienliquidation noch nicht geplant. Dies wäre eine Gesetzesänderung, die bewiese, dass die Fertigstellung von Projekten zwei Bestände erfordert, und nicht nur einen, nämlich den Kassen- und den Immobilienbestand.

Es steht außer Frage, dass die Ursachen für die niedrige Kreditwürdigkeit Tunesiens in der schwachen Wirtschaftsentwicklung liegen, die wiederum auf die Schwäche der Immobilienbilanz zurückzuführen ist.

Immobilien sind schließlich die Referenz für die Wirtschaft, zudem haben sie in vielfältiger Weise Einfluss auf andere Entwicklungsbereiche, wie etwa:

  • Landwirtschaft,
  • Industrie,
  • Tourismus,
  •  Dienstleistungen

Diesen vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten stand jedoch kein Abbau von Hindernissen und Defiziten gegenüber, was dazu führte, dass der Immobilienbereich in Tunesien Verwaltungs- und Rationalisierungsschwächen aufweist, die sich in drei grundlegenden Aspekten zusammenfassen lassen:

  1. Erster Aspekt: Der Immobiliensektor in Tunesien unterliegt keiner Governance- und Rationalisierungsstruktur.
  2. Zweiter Aspekt: Das Immobiliensystem in Tunesien ist ein bewegliches, aber veraltetes System.
  3. Dritter Aspekt: Das Immobiliensystem in Tunesien wurde zwar erneuert, ist aber noch nicht zeitgemäß.

Anhand dieser Aspekte lässt sich erkennen, dass die Blockaden im Immobiliensektor auf zwei Arten von Hindernissen zurückzuführen sind:

  • Strukturelle Hindernisse
  • Objektive Hindernisse

Strukturelle Hindernisse

Das Gesetz hat die Verwaltung von Immobilienangelegenheiten zwei zentralen Institutionen zugewiesen: einer gerichtlichen und einer Regierungsinstitution.

  1. Die gerichtliche Institution

Die Justiz selbst ist in ein gerichtliches Organ und ein Verwaltungsorgan unterteilt. Das gerichtliche Organ umfasst das Liegenschaftsgericht, dem das Gesetz die absolute Zuständigkeit für die fakultativen und obligatorischen Grundstücksregistrierungsanträge[3] und die partielle Zuständigkeit bei Anforderungen an die Immobilienmodernisierung überträgt, wobei die rechtlichen und materiellen Schwierigkeiten der Inhaber beseitigt werden, wenn sie die offizielle Eintragung ihrer Rechte im Immobilienregister beantragen.

Das Verwaltungsorgan ist das tunesische Grundbuchamt, das verpflichtet ist, das Grundbuch zu führen und zu verwalten, so auch bei der Festlegung der Grundbucheinträge auf Anordnung der Registrierungsentscheidung des Immobiliengerichts. Dies kann auf Registrierungsantrag von Rechteinhabern geschehen, sowie bei allen anderen daraus resultierenden Immobiliengeschäften.

Beide Institutionen unterstehen zwei unterschiedlichen Kontrollorganen. Das Gericht wird in rechtlicher und gerichtlicher Hinsicht vom Obersten Justizrat und in verwaltungstechnischer und materieller Hinsicht vom Justizministerium kontrolliert, wohingegen das Grundbuchamt dem Ministerium für Staatseigentum und Immobilienangelegenheiten untersteht.

Diese Situation führte dazu, dass die erforderliche Koordination zwischen den beiden Organen sowohl in logistischer Hinsicht als auch in Bezug auf die Festlegung der grundlegenden Ansätze zur Eintragung von Immobilien und den damit zusammenhängenden Rechten nicht möglich war. Denn beide Organe vertraten unterschiedliche Auffassungen von den Rechtstexten.

Zudem war es nicht möglich, das Prinzip der Einheitlichkeit der Gesetzgebung zu gewährleisten, weil eine übergreifende Struktur für den Bereich der Grundbucheintragung fehlte.

Andere Staaten gingen hier anders vor, indem sie die Institutionen, die für die Veräußerung von Immobilien zuständig sind, durch die Eingliederung in die Verwaltung vereint haben, wie etwa in Marokko,[4] oder eben der Justiz zugeordnet haben,[5] wie in deutschsprachigen Ländern.

  1. Staatliche Struktur

Für gewöhnlich versuchen manche Länder, Strategien nicht mit dem allgemeinen staatlichen Kontext in Einklang zu bringen, sondern diese einer unabhängigen, verfassungsmäßigen oder nicht verfassungsgemäßen nationalen, regionalen oder sogar lokalen Körperschaft zu übertragen. Diesen Ansatz verfolgen viele westliche Staaten, sie haben damit bereits etliche Erfahrung sammeln können. Doch auch in afrikanischen Staaten ist dieser Ansatz zu finden, auch wenn er dort als relativ neu gilt.

In Tunesien verhält es sich jedoch anders, denn das übernommene System ist ein veraltetes traditionelles System aus dem französischen Protektorat, das bis zur Phase nach der Revolution noch fortbesteht, obwohl die Verfassung von 2014 Möglichkeiten für Körperschaften eingeräumt hat, die auf dem neuen Regierungssystem basieren. Der Exekutivverwaltung steht letztendlich die Verfügungsgewalt im Immobiliensektor zu.

Dieses System hat bereits im Laufe seiner Einführung seine Mängel unter Beweis gestellt, weil die Verwaltung bzw. die Exekutive keine strategischen oder gar reformatorischen Ansätze, Leitlinien und Programme vorgelegt hat. Vielmehr ist die Lage prekär: Da das tunesische System nicht auf unabhängigen und spezialisierten Immobilienverwaltungsgremien basiert, wurden Aufgaben aus dem Immobiliensektor an diverse ministerielle Strukturen verteilt, die in ihrer Zuständigkeit einen Bezug zu Immobilien haben.

Und dies trotz der Schaffung eines Ministeriums, das in den neunziger Jahren speziell für Immobilienangelegenheiten gegründet wurde: das Ministerium für Staatseigentum und Immobilienangelegenheiten.

Infolgedessen blieb die Zuständigkeit für Immobilien zwischen den beteiligten Ministerien (für Landwirtschaft, Tourismus, Ausrüstung, Inneres und Justiz) und dem Ministerium für Staatseigentum und Immobilienangelegenheiten verteilt.

Und so blieb die Immobilienfrage aufgrund der Überschneidung von Entscheidungen in diesem Bereich und der fehlenden Koordination zwischen den Strukturen ungelöst.

Darüber hinaus blieb das Interventionsfeld des Ministeriums für Staatseigentum und Immobilien auf die internationale Immobiliensicherheit beschränkt, wohingegen die übrigen Bereiche des Immobiliensektors ohne Kontrolle blieben. Zu den Erscheinungsformen der Inkonsistenz zählen etwa folgende Fälle:

  1. Inkonsistenz zwischen der Raumplanung und den Daten des Grundbuchamts in Bezug auf die Registrierung von Immobilien.
  2. Inkonsistenz zwischen verschiedenen Verwaltungsentscheidungen über Regelungen für Immobilien (gemeinsam genutzte Böden, Staatseigentum, Wälder etc.)
  3. Inkonsistenz zwischen den Akten zu technischen Fallbeispielen beim Landvermessungsamt und der Grundeigentumsverwaltung
  4. Inkonsistenz zwischen den Entscheidungen des Immobiliengerichts und der Zivilgerichte im Immobilienbereich
  5. Fehlen ausreichender technischer und statistischer Referenzen in der Immobilienstatistik

Da wirtschaftliche Entwicklung und Investitionen notwendig sind, muss eine umfassende strategische Struktur für die im Immobilienbereich involvierten Organe geschaffen werden, um die genannten Mängel in der Verwaltung von Immobilien zu beheben.

Objektive Hindernisse:

Dies betrifft alles, was mit dem objektiven Gesetzesinhalt zur Regulierung des Immobilienbereichs zu tun hat, der mehrere Mängel und Schwächen aufweist, die hier genauer betrachtet werden sollen:

Die mit der Einführung des Grundbuchsystems und der Anmeldung von Immobilien angestrebten Ziele wurden nicht erreicht

Die Hauptziele, die den gesetzgeberischen Hintergrund des Systems der Immobilienregistrierung ausklammerten, waren bereits in dem vom Gesetzgeber geänderten Immobiliengesetzbuch (dem alten Immobiliengesetzbuch) deutlich zu erkennen. Es handelte sich um folgende Themen:

1. Vereinheitlichung des Systems für Immobilienbesitz und Anleihen (eine einheitliche Grundsteuer).

2. Transparenz und Öffentlichkeit des rechtlichen und materiellen Status‘ von Immobilien, um Immobiliennutzer zu schützen.

3. Schaffung einer klaren Rechtsordnung im Hinblick auf Liegenschaftsansprüche und damit Stabilisierung des Liegenschaftsrechts sowie endgültige Beilegung von Liegenschafts- und Immobilienspiegelstreitigkeiten.

Daher ist der eindeutige Schutz des Eigentums nur ein Hauptmotiv für dessen Aktivierung und Übernahme beim Aufbau eines Wirtschafts-, Entwicklungs- und Kreditsystems. Die erwarteten Ergebnisse eines solchen Grundbuchsystems waren jedoch bisher nicht realisierbar. Und das obwohl die beteiligten Institutionen bereits seit mehr als zweihundert Jahren mit diesem System arbeiten. Der Verdeutlichung dient auch folgender Aspekt:

Konsolidierung des Immobilien- und Rückstellungssystems:

Die Vereinheitlichung des Immobiliensystems bedeutet die Abschaffung anderer Immobiliensysteme, die nicht mit der gesellschaftlichen Entwicklung und den wirtschaftlichen Notwendigkeiten vereinbar sind.

Als in Tunesien die Immobilienregistrierung eingeführt wurde, unterlag der Immobilienbesitz mehreren alten Systemen, die die Entwicklung behinderten, da jedes System auf eigenen Regeln und Verfahren beruhte, von denen nicht alle für die aktuellen Anforderungen geeignet waren. Dies liegt daran, dass die meisten Rechtssysteme jener Zeit keine klaren und eindeutigen Eigentumsurkunden verlangten, was dazu führte, dass diesen Urkunden kein großes Vertrauen geschenkt wurde.

Das neue Eigentumsrecht soll die alten Systeme abschaffen und auf der rechtlichen, der technischen und der materiellen Ebene in einem Rechtssystem vereinen. Es soll zum Beispiel:

  • Insbesondere dem Privateigentum Geltung verschaffen, egal ob es sich nun um individuelles, kollektives oder ausländisches Eigentum handelt, und zugleich alle Möglichkeiten aufheben, den Umgang mit Immobilienbesitz zu stören, wie den Grundbesitz religiöser Stiftungen, Gemeindeland oder gemeinschaftlich genutzten Boden.
  • Ein einziges Eigentumsdokument implementieren, die Eigentumsurkunde (früher als ‚blaue Urkunde‘ bekannt), und damit alle anderen Vermerke und Dokumente wie die Stiftungsurkunde, die Eintragungsurkunde, landwirtschaftliche Nutzungsverträge, Abtretungsverträge, Pachtverträge etc aufheben.
  • Fachrelevante Anhänge der Eigentumsurkunde einführen, anhand derer der finanzielle Wert und exakte Nutzen der Immobilie eingeschätzt werden kann. Dies ist der Kern eines topografischen Vergleichs, der mit dem Grundstückseintrag übereinstimmt und alle Rechtsstreitigkeiten auflöst, die die Aufteilung des Grundstücks betreffen.

Dieses Ziel sollte für den gesamten tunesischen Grundstücksbesitz sowie für alle Eigentumssysteme erreicht werden, was aber noch nicht gelang, obwohl ein Schnellregistrierungssystem geschaffen wurde, das speziell auf landwirtschaftliche Grundstücke abgestimmt ist.

Dies entsprach damals den Interessen des politischen Systems, die sich in den sechziger Jahren auf den Agrarsektor konzentrierten (eine Zeit, die an die Solidaritätspolitik erinnert). Der Gesetzgeber nach der Unabhängigkeit erließ 1964 das Gesetz der obligatorischen Grundbucheintragung durch das Grundbuchamt (l'immatriculation foncière obligatoire par cadastre).

Dieses Gesetz ermöglichte schnelle und flexible Verfahren, so dass die Immobilienvermessungsausschüsse sämtliches Agrarland erfassen und gleichzeitig dem justiziellen Ansatz folgen konnten, um den Schutz von Rechten und Gewinnen zu gewährleisten.

Die Ergebnisse dieser Bemühungen sind nicht zu leugnen, da mehrere Regionen des Landes eine qualitative Entwicklung bei der landwirtschaftlichen Produktion erreicht haben, insbesondere bei wichtigen Kulturpflanzen und der bewässerten Agrarproduktion.

Als Beispiel sind hier die östlichen Regionen zu nennen, insbesondere die Region Regueb im Gouvernement Sidi Bouzid und die Region Chanchou in der Gemeinde Hamma, Gouvernement Gabès. Allerdings sind diese Errungenschaften unter zwei Aspekten ungenügend:

  1. Aspekt

Der Erfolg des Experiments war nicht vollständig, sondern eher partiell, insofern einige Regionen nicht dieselben Erfolge verbuchen konnten, da die Vermessungsarbeiten dort aufgrund der schweren Zugänglichkeit noch nicht abgeschlossen werden konnten, die technischen Ressourcen unzureichend waren oder einige Grundstücke nicht zu vermessen waren, wie etwa gemeinschaftlich genutzte Güter im Gouvernement Medenine oder die Gemeindegüter im Gouvernement Kebili.

  1. Aspekt

Obwohl die Testvermessungen in einigen tunesischen Regionen erfolgreich waren, waren dies aus zwei Gründen keine nachhaltigen Erfolge: entweder weil manche untersuchten (d. h. registrierten) Ländereien nicht ordnungsgemäß genutzt wurden und keine Methode gefunden werden konnte, mit der diese Regionen wirtschaftlich erfolgreich und produktiv werden konnten, oder wegen der Unfähigkeit des Grundbuchsystems selbst, die registrierten Grundstücke korrekt zu führen.

Letzteres liegt an der einsetzenden Stagnation der Grundbucheintragungen (die Gründe dafür werden in diesem Artikel noch erläutert).

Die Unfähigkeit des Immobiliensystems, Grundstücke im Sinne der rechtlichen Vereinheitlichung vollständig zu erfassen, beschränkt sich nicht nur auf die Immobilienerhebung und deren Folgen, sondern betrifft auch den Umfang der freiwilligen Registrierung.

Der tunesische Gesetzgeber drückt sich hier etwas widersprüchlich aus, weil er einerseits bei der Registrierung auf das Prinzip der Freiwilligkeit setzt, andererseits jedoch das Ziel dieses Systems darin besteht, die Rechtsordnungen zu vereinheitlichen. Dafür wäre eine obligatorische Registrierung natürlich effektiver als die freiwillige.

Da also das tunesische Immobiliensystem nicht vereinheitlicht werden konnte, besteht die bisherige Situation mehrerer Immobiliensysteme nach wie vor fort. Diese können also weder einfach abgeschafft noch effektiv vereinheitlicht werden. Vielmehr kam ein neues System zu den vorherrschenden Systemen hinzu, nämlich das System registrierter Immobilien. Dies führte zur Stagnation bei den Grundbucheinträgen.

Zur Frage der Verwirklichung des Publizitätsprinzips:

Die Veröffentlichung bei der Registrierung von Immobilien ist der eigentliche Sinn des Systems der Immobilienregistrierung. Der Hauptzweck der Registrierung ist es, die Immobiliensituation für Dritte transparent zu machen, sodass diese einen vollständigen und wahrheitsgemäßen Einblick in den rechtlichen Status der betreffenden Immobilie erhalten.

Dies sichert den Schutz der Grundstücksrechte und führt zudem zu einer Immobilienbilanz, die die wirtschaftliche Entwicklung fördert und Investitionen anregt. Folgerichtig schreibt der Gesetzgeber auch vor, dass die an der registrierten Immobilie beteiligten Parteien jede neue Grundstückstransaktion melden, wie etwa den Verkauf, die Abtretung, Hypotheken, Teilung, Vererbung usw. Somit werden die Rechte Dritter geschützt.

Dieser Ansatz erfordert Bedingungen und Prinzipien. Zu den wichtigsten gehören zumindest die folgenden drei Regelungen:

1. Jeder Eigentümer besitzt eine Eigentumsurkunde, die mit den Daten des Immobilienregisters übereinstimmt. Damit werden Immobilientransaktionen vereinfacht, da diese anhand der Urkunde und nicht anhand des Registers selbst durchgeführt werden.

2. Das Grundbuchregister entspricht darüber hinaus dem realen Rechtsstatus der Immobilie, die Gegenstand der Transaktion ist, was durch den Rechtsbegriff ‚im aktualisierten Register‘ ausgedrückt wird.

Dies unterscheidet sich vollkommen von den aktuellen Immobilienregistern: Aus vielen Gründen, die noch erläutert werden, können die Immobilienregister in Tunesien die Anforderungen an registrierte Immobilien nicht erfüllen.

Daher genügt es nicht, Einblick in das Immobilienregister zu nehmen, um den korrekten Rechtsstatus einer Immobilie zu erfahren. Somit ist der Grundsatz der Transparenz und Publizität nur eingeschränkt gewährleistet.

3. Das Publizitätsprinzip muss mit der Regel der genehmigten Änderung gekoppelt werden. Das heißt, Immobiliengeschäfte sollten keiner allgemeinen Änderungsregel unterliegen, die den sonst üblichen Regeln ähneln, vielmehr sollte eine für Immobilientransaktionen spezifische Änderungsregel in Bezug auf die Immobilienregistrierung gelten, da diese Änderungsregel unter den gewünschten Schutz des Registrierungssystems fällt, der auf dem Publizitätsprinzip basiert.

Die Frage der Stabilität von Rechtsansprüchen

Die Registrierung von Immobilien führt zur Sicherung der am jeweiligen Grundstück bestehenden Ansprüche. Die daran stattfindenden Veränderungen unterliegen den Regulierungen des Immobilienregistersystems und somit der Legitimationsregel.

Es existieren einige weitere wichtige Regelungen, die die Sicherung der Ansprüche gewährleisten, wie etwa die Regelung, wenn die für das eingetragene Eigentum geltende Verjährungsfrist nicht eingehalten werden kann.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass eingetragenes Eigentum an einem Grundstück nicht im Wege einer Klage streitig gemacht werden kann. Dennoch ist es dem tunesischen Immobiliensystem nicht gelungen, Rechtsstreitigkeiten über eingetragene Immobilien und unklare Anspruchsverhältnisse zu beenden. Diese Situation ist für die Entwicklung und Stabilisierung der Wirtschaft schädlich und stellt ein ernstzunehmendes Hindernis hierfür dar.

Dass die Eintragung von Immobilien häufig selbst zum Streitgegenstand wird, ist de facto auf Fehlentscheidungen des Gesetzgebers zurückzuführen, da dieser nicht die Besonderheiten des Katastersystems berücksichtigt hat. Es seien hier zumindest drei Besonderheiten dieses Systems erwähnt.

1. Das Grundbuchsystem basierte bei seiner Einführung nicht auf dem Eigentümerprinzip, sodass zum Teil mehrere Einträge vorhanden waren, die nicht dem tatsächlichen Rechtsstatus entsprachen.

Der Gesetzgeber unternahm mehrere Versuche, um diese Einträge zu aktualisieren, damit sie den tatsächlichen Stand erfassen. Hierzu gehörte ein erster Versuch auf Verwaltungsebene und ein weiterer auf Justizebene, der aktuell noch im Gange ist.

2. Die Aktualisierung der Grundbucheintragungen und neue Einträge fallen nun in die Zuständigkeit des Liegenschaftsgerichts, das die Einreichung von Einwänden gegen Aktualisierungsanträge erlaubt.

Dies wiederum ebnet den Weg für Anspruchsklagen auf Immobilien, deren Eigentümerverhältnisse eigentlich bereits klar geregelt sein sollten. In den Anfängen fanden diese Streitigkeiten in erster Instanz statt, doch sind nun nach der Überarbeitung des Gesetzes von 2007 auch höhere Instanzen beteiligt.

Dieses Vorgehen ist zu kritisieren, weil die Verlängerung der gerichtlichen Fristen zur Aktualisierung der Grundbucheinträge zu einer Verfestigung der Anspruchskrise bei Grundbucheintragungen führte.

3. Die Regelungen zur Grundbucheintragung sind überwiegend induktiv und nicht anfechtbar. Die vom Gericht eröffnete Möglichkeit der Grundbucheintragung ist im Hinblick auf den garantierten Eigentumsschutz eigentlich positiv - im Gegensatz zur Eintragung durch die Verwaltung.

Denn im Gegensatz zur Eintragung durch die Verwaltung ist die Eintragung durch Gerichte anfechtbar, der Rechtsweg bei Registrierungsentscheidungen steht offen.

Seit 2007 eröffnet der Gesetzgeber unter dem Vorwand, die Menschenrechte zu schützen, und in völligem Widerspruch zu den Prinzipien der Grundbucheintragung die Möglichkeit der Berufung gegen die Registrierungsentscheidungen vor dem Kassationsgericht in einer Form, die einer Zivilbeschwerde ähnelt.

Somit werden auch die gerichtlichen Fristen für Grundbucheintragungen verlängert, was die Rechtslage von Immobilien zwischen der Anfangsphase und der Folgephase unsicher macht. Daraus entstehen Schwierigkeiten bei der Durchführung von Transaktionen mit Immobilien, deren Eintragung im Register geändert wurden.

Zusammengefasst besteht bei der Korrektur des Immobilienstatus‘ durch das Grundbuchsystem folgender Handlungsbedarf:

  1. Überprüfung der Regeln für die Führung des Immobilienregisters, um die Stagnation bei Grundbucheinträgen zu beenden.
  2. Überdenken der Struktur des Liegenschaftsgerichts und dessen Eingliederung in die Justiz durch Integration der daran beteiligten Strukturen mit dem Ziel:
  • Ausschließliche Ermächtigung der Justiz in Immobiliensachen, damit diese die Ziele der Immobilienreform erreichen und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung fördern kann.
  • Alleinige Zuständigkeit des Liegenschaftsgerichts in allen verwaltungsrechtlichen Liegenschaftsstreitigkeiten, die aus der Verwertung oder Veräußerung von Liegenschaften hervorgehen, gleich welcher Art oder unter welchem System sie entstanden sind, sowie in allen damit zusammenhängenden Immobilienstreitigkeiten für eingetragene Immobilien.
  1. Durchführung notwendiger Analysen der laufenden Versuche zu:
  • Einem obligatorischen Grundbuchsystem
  • Methoden zur Ausstellung von Urkunden, die Verwaltung von Grundbucheinträgen und die Standardisierung der Verwaltungssysteme
  • Auswertung der Erfahrungen bei der gerichtlichen Grundbuchmodernisierung, insbesondere bei der Frage, inwieweit die Regelungen zur Erstellung aktualisierter Einträge effektiv sind.
  1. Überprüfung der Institution zur Erstellung von Vermessungsgutachten und Prüfung der wissenschaftlichen, technischen und rechtlichen Weiterentwicklung der topographischen Erfassung, insbesondere durch die Schaffung von Einrichtungen für die duale Ausbildung im Bereich Immobilienrecht und topographische Methoden.

 

 

[1]. In der Verfassung heißt es:„Das Recht auf Eigentum wird garantiert und darf nur in den Fällen und mit den Garantien, die gesetzlich vorgesehen sind, eingeschränkt werden.Das geistige Eigentum wird garantiert.“

[2]. In Art. 20 des Sachgesetzbuchs heißt es: „Niemand ist gezwungen, sein Eigentum aufzugeben, außer in gesetzlich bestimmten Fällen und gegen angemessene Entschädigung.“ Zudem legt Art. 21 des Gesetzes über dingliches Recht fest: „Bei der Ausübung seines Rechts muss der Eigentümer die Anforderungen von Gesetzestexten im öffentlichen oder privaten Interesse berücksichtigen.“

[3] Das Liegenschaftsgericht wurde unter dem französischen Protektorat durch das alte Immobiliengesetzbuch gegründet, das am 1. Juli 1885 erlassen worden war. Dieses Gericht wurde als „tribunal mixte“ bezeichnet. Später wurde es kraft der Kontrollstelle der tunesischen Gerichte wie alle übrigen Gerichte und Justizräte tunesisch geführt. Seit diesem Zeitpunkt ist es mit der Prüfung von Immobilienregistrierungsanträgen betraut, die im Rahmen des Erlasses über die obligatorische Immobilienerfassung erweitert wurde.

[4]. Das marokkanische System basiert auf der Eingliederung von Immobilienangelegenheiten in die Verwaltung, somit sind für diese Angelegenheiten das Grundbuchamt und das Landvermessungsamt zuständig. Dies birgt jedoch Konfliktpotential auf gerichtlicher Ebene, wenn festgestellt wird, dass gegen Registrierungsanträge Einspruch erhoben wurde.

[5]. Zu den deutschsprachigen Systemen, die sich auf eine einheitliche Registrierung stützen, gehören das deutsche und das schweizerische System. Sie gehören zu den bekanntesten justizbasierten Systemen, dies gilt insbesondere für die Institution des Grundbuchrichters.