Yorck Diergarten* ist Referent für die Investitionsgarantien im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
1. Einleitung
Die COVID-19-Pandemie hat zu einem starken Einbruch der weltweiten Investitionsflüsse geführt und zugleich viele der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte bei der Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs)
, also der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zunichte gemacht. Infolge der pandemiebedingten Wirtschaftskrise ist die sogenannte SDG-Finanzierungslücke, d.h. diejenige Summe, die zur Erreichung der SDGs zusätzlich investiert werden müsste, von jährlich 2,5 Bio. USD auf mindestens 3,7 Bio. USD gestiegen. Die Mobilisierung zusätzlichen Kapitals für SDG-relevante Bereiche ist für die Umsetzung der Agenda 2030 daher dringend erforderlich.1
Einen Beitrag zur Lenkung privaten Kapitals in SDG-relevante Sektoren können auch Investitionsgarantien erbringen, die von der Weltbank-Agentur MIGA, aber auch den Regierungen vieler Industrieländer ausgegeben werden und Investitionsvorhaben gegen politische Risiken absichern.
Für Investoren und Investorinnen sind derartige Garantien ein essentielles Instrument der Risikomitigierung und für die Durchführung von Projekten unter fragileren politischen Rahmenbedingungen daher vielfach unerlässlich, zumal eine privatwirtschaftliche Möglichkeit der Versicherung oftmals nicht vorhanden ist.
Dieser Beitrag stellt das deutsche Investitionsgarantien-Instrument vor (2.) und zeigt auf, wie damit Investitionen insbesondere auch in SDG-relevante Bereiche in Entwicklungsländer gesteuert werden können (3.).
2. Die Investitionsgarantien des Bundes
Mit dem Ziel, private Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländer attraktiver zu machen, übernimmt die deutsche Bundesregierung bereits seit den 1960er Jahren Investiti-onsgarantien. Auch das deutsche Instrument bietet Investoren die Möglichkeit der Absicherung ihrer Auslandsprojekte gegen eine ganze Reihe politischer Risiken, namentlich etwa die Enteignung von Projektgesellschaften, die Vernichtung von Betriebsvermögen im Kriegsfall oder die Verhängung von Kapitalausfuhrbeschränkungen durch die Regierung des Gaststaates.
Für die Übernahme von Investitionsgarantien sind drei Voraussetzungen relevant: Erstens muss das in Deckung zu nehmende Vorhaben Investitionscharakter aufweisen. Hierunter fallen insbesondere Beteiligungen an ausländischen Projektgesellschaften oder sog. beteiligungsähnliche Darlehen, die mit einem steuernden Einfluss des Investors bzw. der Investorin auf die begünstigte Tochtergesellschaft einhergehen.
In allen Fällen muss die Investition dabei durch einen deut-schen Investor getätigt werden. Zweitens erfordert die Übernahme einer Investitionsgarantie einen hinreichenden Rechtsschutz für das Projekt im Gaststaat. Diese Voraussetzung wird in der Regel durch einen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Gaststaat geschlossenen bilateralen Investitionsförderungs- und -schutzvertrag (IFV) erfüllt.
Nach dem Übergang der mitgliedstaatlichen Kompetenzen für den Bereich der Handelspolitik einschließlich des Investitionsschutzes auf die Europäische Union, die sich 2009 mit dem Vertrag von Lissabon vollzogen hat, werden hierfür künftig verstärkt auch die von der EU mit Drittstaaten geschlossenen Handelsabkommen relevant sein, die oftmals über ein eigenes Kapitel zum Investitionsschutz verfügen.
In Einzelfällen kann daneben auch die innerstaatliche Rechtsordnung des Gaststaates als Rechtsgrundlage herangezogen werden, sofern diese hinreichend stabil ist. Drittens schließlich muss es bei dem Projekt um ein förderungswürdiges Investitionsvorhaben handeln. Hierfür sind positive Effekte des Projekts sowohl auf den Gaststaat – z.B. durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Verbesserung der Infrastruktur oder die Ermöglichung von Technologietransfer – als auch die Bundesrepublik Deutschland erforderlich.
Zur Förderungswürdigkeit eines Investitionsvorhabens gehört daneben auch die Einhaltung grundlegender Umwelt-, Sozial- und menschenrechtlicher Anforderungen; als Messlatte hierfür dienen die international anerkannten IFC Performance Standards der Weltbankgruppe.2
Die Prüfung der Voraussetzungen für die Übernahme einer Investitionsgarantie erfolgt durch die PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC), die von der Bundesregierung mit der Betreuung des Instruments beauftragt worden ist.
Projektanträge, die den Anforderungen genügen, werden einem sog. Interministeriellen Ausschuss (IMA) vorgelegt, der sich aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zusammensetzt und insgesamt sechsmal pro Jahr tagt. Über die Annahme von Anträgen entscheidet der IMA im Konsens. Liegt ein solcher vor, wird das Projekt gegen die Zahlung eines jährlichen Garantieentgelts in Deckung genommen und dem Investor bzw. der Investorin eine Garantieurkunde ausgestellt.
Vielfach verlaufen die durch eine Investitionsgarantie abgesicherten Projekte reibungslos. Treten Schwierigkeiten auf, steht zunächst die diplomatische Flankierung des betroffenen Investitionsvorhabens im Vordergrund – in Zusammenarbeit mit dem Gaststaat sollen die entstandenen Probleme beseitigt und eine Perspektive zur Fortführung des Projekts geschaffen werden.
Die Bundesregierung tritt dazu über ihre Gesprächskanäle auf Ebene der Ressorts und ihre Auslandsvertretungen in Kontakt mit den Behörden des Gaststaates. Zum Eintritt eines Schadensfalls kommt es erst, wenn das Krisenmanagement der Bundesregierung erfolglos bleibt und die aufgetretenen Schwierigkeiten nicht gemeinsam mit dem Gaststaat bewältigt werden können: Weist das Projekt keine Fortführungsperspektive mehr auf und sind die Voraussetzungen eines Schadensfalls erfüllt, erhält der Investor bzw. die Investorin eine Entschädigung maximal in Höhe des Zeitwerts seines Investitionsvorhabens abzüglich eines Selbstbehalts.
Rechtlich findet in diesem Fall zugleich regelmäßig ein Übergang der Schadenersatzforderung statt, die dem Investor bzw. der Investorin aus Völkerrecht oder dem nationalen Recht gegenüber dem Gaststaat zusteht.
Nach Zahlung der Entschädigung wird diese Forderung auf den Bund übertragen, der sie anschließend gegenüber dem Gaststaat geltend macht. Bis eine Zahlung der offenen Schadenersatzforderung durch den Gaststaat erfolgt, werden für dort belegene Investitionsprojekte keine weiteren Investitionsgarantien gewährt.
Seit ihrer Schaffung in den 1960er Jahren werden die Investitionsgarantien des Bundes be-ständig von Unternehmen in Anspruch genommen. Im Jahr 2020 waren so Investitionen in einem Umfang von rd. 28 Mrd. EUR durch Garantien abgesichert – im Kreis der Berner Union, dem Zusammenschluss der internationalen Investitionsversicherer, belegte das deutsche Instrument gemessen am Haftungsvolumen damit den zweiten Platz.3
Zielregionen der mit Investitionsgarantien gedeckten Projekte sind insbesondere Asien und Osteuropa mit rd. 43% bzw. 34% des Gesamthaftungsvolumens; Süd- und Mittelamerika und Afrika folgen mit einem Anteil von rd. 13% und 10%.4
3. SDG-Wirkung der Investitionsgarantien
Anders als das Garantieinstrument der MIGA dienen die deutschen Investitionsgarantien nicht in erster Linie Zielen der Entwicklungsfinanzierung5 sondern einem außenwirtschaftspolitischen Zweck. Gleichwohl aber bestehen zwischen den mit ihnen abgesicherten Projekten und den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen vielfältige Querverbindungen.
Geförderte Projekte können durch die Schaffung von Arbeitsplätzen im Gaststaat so etwa zur Erfüllung der SDGs 8 und 9 beitragen, die bis 2030 u.a. die Erreichung weltweiter Vollbeschäftigung und einen signifikanten Anstieg des Anteils der Industrie an der Beschäftigung fordern.
Hohe Standards der Projektgesellschaften im Umgang mit sich bietenden Umwelt- und Arbeitssicherheitsrisiken, wie sie für die Übernahme einer Investitionsgarantie erforderlich sind, wirken positiv auf die in den SDGs 3, 8 und 12 festgeschriebenen Ziele einer Verringerung umweltbedingter Krankheits- und Todesfälle, einer Verbesserung der weltweiten Arbeitsbedingungen und eines nachhaltigen Umgangs mit natürlichen Ressourcen ein.
Das Garantieinstrument als solches leistet zudem einen Beitrag zu SDG 17, das die Mobilisierung zusätzlichen privaten Kapitals für Entwicklungsländer vorsieht. So handelte es sich bei sieben der insgesamt 13 Zielstaaten, für die 2020 Investitionsgarantien übernommen wurden, um Länder, die von der Weltbank als sog. lower-middle income countries qualifiziert werden.6
Dieser förderliche Effekt der Investitionsgarantien in Richtung der SDGs ist in den letzten Jahren durch zwei Maßnahmen der Bundesregierung verstärkt worden: Erstens sind im Rahmen der sog. Compact with Africa-Initiative im Jahr 2017 verbesserte Konditionen für private Investitionsvorhaben in insgesamt 12 afrikanischen Partnerstaaten, darunter Ägypten, Ghana, Senegal und Tunesien in Kraft getreten.
Für Projekte, die in diesen Ländern belegen sind, gelten seither ein niedrigerer Selbstbehalt sowie unter bestimmten Voraussetzungen ein Wegfall der sonst üblichen Antragsgebühr. Zweitens hat die Bundesregierung Ende 2020 erste Schritte eingeleitet, um die Investitionsgarantien enger an den Zielen des Pariser Klimaabkommens auszurichten.
Hierzu gehören einerseits stärkere Anreize für Investitionen in Erneuerbare Energien-Projekte wie etwa Solar- oder Windparks. Für solche Projekte be-steht jetzt die Möglichkeit einer umfassenderen Absicherung gegen den Bruch staatlicher Zahlungszusagen aus politischen Motiven, dies insbesondere auch in Ländern der OECD-Risikokategorien 6 und 7 und damit der Mehrzahl der afrikanischen Staaten.
Für Investitionsvorhaben im Bereich der Erneuerbaren Energien, deren Geschäftsmodell in der Regel auf langfristigen Stromabnahme¬verträgen mit Institutionen der Gaststaaten beruht, bedeutet dies eine ganz erhebliche Verbesserung, für die Investitionsgarantien einen größeren Beitrag zu dem von SDG 7 geforderten deutlichen Ausbau des Anteils Erneuerbarer Energien an der weltweiten Energieerzeugung bis 2030.
Andererseits ist 2020 die Übernahme von Garantien für bestimmte klimaschädliche Projekte im Bereich der Kohleverstromung und Erdölförderung eingeschränkt worden. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Dynamik in der internatio-nalen Klimaschutzpolitik ist für die kommenden Jahre ein weiterer Ausbau der Investitions-garantien in diese Richtung zu erwarten.
Ein umfassender mit den SDGs verknüpftes Garantieinstrument kann aber nur einen Baustein einer auf die UN-Nachhaltigkeitsziele ausgerichteten globalen Investitionspolitik bilden. Ganz wesentlich sind insofern auch eine Vereinfachung der Rahmenbedingungen für ausländische Direktinvestitionen in den Gaststaaten, die Verbesserung der dortigen Rechtssicherheit, eine intensivierte Zusammenarbeit der Investitionsagenturen der Industrie- und Entwicklungsländer sowie eine an den Zielen des Pariser Klimaabkommens und den Erfordernissen der SDGs ausgerichtete Reform des völkerrechtlichen Investitionsschutzes, die ein staatliches „right to regulate“ zur Erreichung sozial-, klima- und umweltpolitischer Ziele klar anerkennt und die Einhaltung menschenrechtlicher Mindestanforderungen bei ausländi-schen Investitionsvorhaben festschreibt.
Hierzu gehört auch die derzeit auf UN-Ebene diskutierte7 Reform der Streitbeilegung in Richtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs mit einer unabhängigen, langfristig dort tätigen Richterschaft, die sich im Sinne einer breite-ren Legitimation künftig zudem verstärkt aus den Ländern des Globalen Südens rekrutieren und Parität bei der Geschlechterverteilung aufweisen sollte.
Entscheidend für einen Ausbau der globalen Investitionsflüsse in Richtung der SDGs und der Schließung der SDG-Finanzierungslücke dürften daneben die gegenwärtig auf Ebene der G7 und der Europäischen Union geplanten Infrastrukturinvestitionsinitiativen sein, mit denen sich neue Chancen für Entwicklungsländer eröffnen und zusätzliches privates Kapital mobilisiert werden kann.
Diese könnten in den kommenden Jahren um weitere internationale Ini-tiativen ergänzt und stärker untereinander sowie mit den Instrumenten auf nationalstaatlicher Ebene vernetzt werden, um weitere Synergieeffekte und eine größere Lenkungswirkung zu erzielen.
Auch die Entwicklungszusammenarbeit kann schließlich eine wesentliche Rolle in diesem Prozess spielen. Studien belegen für Deutschland so etwa eine positive Korrelation zwischen EZ-Mitteln und Privatinvestitionen,8 zudem können Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit als Vorfeldmaßnahmen etwa in Fällen greifen, in denen ausländische Direktinvestitionen noch nicht wirtschaftlich darstellbar sind oder hinreichende Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Projekten fehlen.
Insgesamt bewegen sich die Investitionsgarantien des Bundes damit in einem äußerst dynamischen Umfeld; es bleibt abzuwarten, welche investitionspolitischen Rahmenbedingungen sie in den kommenden Jahren prägen werden.
--------------------------------